Kleine Geschichten mit Sinn
Auf einem Bauernhof bekam eine Katze Junge. Das schmächtigste der Kleinen war ein rot getigerter Kater.
"Was für ein winziger Kater das ist", bemerkte der Hofhund.
"Ich bin kein Kater", mauzte der Kleine. "Ich bin ein Löwe!"
Der Hofhund kringelte sich vor Lachen. "Das muss ich den anderen erzählen", kicherte er und lief zum Hof hinaus. "Wir haben einen Löwen am Hof!", rief er. "Wir haben einen Löwen am Hof!" Dabei hielt er sich den Bauch vor Lachen. Das hörte die Amsel, die erzählte es weiter. Das hörte der Bär, der erzählte es weiter. Das hörte die Ente, die erzählte es weiter.
Eines Tages strömten Scharen von Tieren zum Bauernhof. Sie alle waren gekommen, um den Löwen zu sehen. Und da war er. Der winzige, rot getigerte Kater stolzierte vor seinem Publikum.
"Ich habe gehört, du bist in einen Bach gesprungen, um einer Ente zu helfen, die sich in einem Gestrüpp verfangen hatte. Was für ein mutiger Löwe du bist!", quiekte ein Wildschwein.
"Ich habe gesehen, wie du so lange den Fuchs angebrüllt hast, bis er das Weite gesucht hat. Du hast damit die Hühner gerettet. Was für ein mutiger Löwe du bist!", fiepte ein Eichhörnchen.
"Halt halt!", bellte der Hofhund. "Das ist doch kein Löwe! Ich weiß das genau, denn unsere Hofkatze hat diesen Kater auf die Welt gebracht!" "Ist es nicht egal, woher er kommt? Viel wichtiger sind die Taten, die er vollbringt! Das hier ist wahrlich ein Löwe!", stellte das Eichhörnchen fest.
"Aber nein, das ist kein Löwe!", brüllte der Hofhund. "Schaut nur, er ist viel zu klein für einen Löwen!"
"Weil es auf die äußere Größe ankommt, oder was?", bemerkte eine Ameise. "Das hier ist wahrlich ein Löwe!"
"Meine Güte kapiert es doch!", bellte der Hofhund verzweifelt. "Das ist kein Löwe! Es gibt keine rot getigerten Löwen!"
"Bist du von Sinnen?", quiekte das Wildschwein. "Natürlich gibt es rot getigerte Löwen! Hier vor uns steht doch einer!"
Viele Menschen sind keine Kater, die behaupten, ein Löwe zu sein, sondern Löwen, die behaupten, ein Kater zu sein. Die sich kleiner machen, als sie sind. Die ihre Fähigkeiten und Potentiale nicht sehen, die denken, nicht gut genug zu sein, für etwas nicht fähig genug zu sein.
Was wir denken setzt selbsterfüllende Prophezeiungen in Gang:
Wenn ein Löwe denkt, ein Kater zu sein, werden ihn andere Menschen als Kater wahrnehmen. Denn der Löwe wird unbewusst alles tun, damit er als Kater wirkt. Er bekommt entsprechende Rückmeldungen von anderen, die sein Denken zementierten.
Wenn im Gegenteil ein Kater denkt, ein Löwe zu sein, wird er sich als Löwe verhalten und entsprechende Rückmeldungen bekommen. Er fühlt sich gut, denn er sieht seine Fähigkeiten, Stärken und Potentiale. Er braucht nicht auf anderen herumtrampeln und diese kleiner machen, um sich gut zu fühlen. Er ist der, der sich selbst wertschätzt und somit auch andere wertschätzen kann. Er ist der, der sich liebt und somit auch andere lieben kann.
Wenn wir in den Spiegel schauen, wen sehen wir?
Wie wäre es, würden wir unseren Potentialen gerecht werden und den Löwen sehen, der wir sind?
In welchen Situationen siehst du dich als Kater, anstatt als Löwe?
Was könntest du tun, damit du dich heute als Löwe siehst?
Kennst du den Spruch „Selbstlob stinkt“? Was hältst du davon, stattdessen Folgendes zu denken: „Selbstlob zeigt, dass ich mich anerkenne. Weil ich ein Löwe bin!“
Eine "sinn-volle" Geschichte, die uns zum Nachdenken einlädt - viele neue Erkenntnisse wünsche ich euch :-)
Herzlichst Eure
(© Alexandra Wimmer)
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